Dienstag, 23. Juli 2013

Ein Brief



Lieber ...!
Diesen Brief gibt es in meinem Kopf in ungefähr einer Million Varianten. Doch keine war wirklich die Richtige. Ich versuche mich auf das Wesentliche zu konzentrieren, bin mir aber sicher, dass ich abschweifen werde.
Das Wesentliche ist nicht so leicht und klar geschrieben, genau so wenig wie gesagt, sonst hätte ich Dir wohl  vieles mehr gesagt, als ich getan habe – einerseits um Dich und mich zu schonen, andererseits um  deine Beziehung nicht zu gefährden, weil ich genau weiß, wie viel Dir daran liegt  und schon bin ich redundant und winde mich ums Thema herum.
Du weißt, dass ich nach gewissen Prinzipien lebe, die ich auch ziemlich strikt befolge – eine davon lautet: gejagt wird im eigenen Revier und Beute wird nicht abspenstig gemacht oder auch der Freund Deiner Freundin/Deines Freundes ist tabu.  Fremdgehen ist für mich etwas, das einen riesigen Vertrauensbruch darstellt , der nicht wieder zu kitten ist. Ich würde auch nie heiraten, weil ich schwanger bin, oder ein Kind von dem Typen habe. Sollte ich jemals heiraten, gebe ich auf keinen Fall meinen Namen her.
Und es gibt gewisse Dinge, die ich nicht für eine Beziehung opfern würde: meine Freiheit – im Sinne von Entscheidungsfreiheit, Meinungsfreiheit, Bewegungsfreiheit und noch so einige- meine Familie und einige meiner Freunde (wozu Du Dich auch zählen kannst). Für gewisse Menschen würde ich durchs Feuer gehen, sollte es nötig sein – die sind handverlesen , aber auch hier darfst Du Dich dazuzählen.
Ich weiß, man sagt über mich, dass ich zu viel frage, zu viel herumstochere, zu viel weiß, zu neugierig und zu wenig traditionell bin – ehrlich: die sollen mir doch alle den Buckel runterrutschen – was mich stört, ist die Feigheit, mir das nicht ins Gesicht sagen zu können oder noch lieber habe ich es, dass hintenrum gegen mich intrigiert wird. Es gibt wenig, dass ich mehr verabscheue.
Ich denke oft und über viele Dinge nach. Auch das was-wäre-wenn-Spiel funktiniert ziemlich gut: z.B.: was wäre, wenn ich damals das Musikgym gemacht hätte, anstatt dem BG; was wäre wenn ich nicht die Pädak, sodern gleich das Geschichte/Theologie-Studium gemacht hätte, oder gar ein Musikstudium; was wäre, wenn ich damals den Mut gehabt hätte, dem F. gegenüberzutreten, anstatt mich in die Beziehung mit A. zu stürzen;  was  wäre wenn ich nicht vor der ernster werdenen  Beziehung mit P. weggelaufen wäre, oder das Kind nicht verloren hätte oder ihm oder irgendjemand anderem vom Kind und dessen Verlust erzählt hätte?
Wesentlich ist, was alle diese Ereignisse und Tatsachen für einen Menschen aus mir gemacht haben –  was mich glücklich gemacht hat und was unglücklich, welche Menschen ich in meinem Leben haben möchte und welche eher nicht. Was ich bereit bin zu opfern (für Glück, Familie, Glaube, Überzeugung,…) und was nicht! All das macht mich aus. Womit ich wieder beim Wesentlichen wäre: Bist Du glücklich? Und: Was würdest Du dafür opfern es zu sein bzw. was opferst Du bereits für dein (vermeintliches) Glück? Was bedeutet Glück für Dich überhaupt?
Viele schwierige Fragen, ich weiß.
Und eine große Hoffnung: dass Du mich für lange Zeit als Freundin betrachten kannst . Das wird sich wohl eher nicht erfüllen, doch, die Hoffnung stirbt zuletzt.
XXX

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